Veranstaltung: | Landesparteitag |
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Tagesordnungspunkt: | Anträge |
Antragsteller*in: | LAG Gesundheit (dort beschlossen am: 20.08.2019) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 24.09.2019, 18:35 |
G 3: Lebensmittelkennzeichnung durch Nutri-Score-System
Antragstext
Lebensmittelkennzeichnung durch Nutri-Score-System
Bündnis 90/Die Grünen fordern die umgehende Zulassung der Einführung des
Lebensmittelkennzeichnungssystems Nutri-Score für verarbeitete Lebensmittel in
Deutschland und dessen verbindliche EU-weite Einführung. Dieses System zur
Aufklärung der Verbraucher*innen über den gesundheitlichen Wert von
Lebensmitteln ist zurzeit das europaweit am besten untersuchte und beurteilte.
Begründung
Nichtübertragbare Krankheiten (non-communicable diseases, NCDs) stellen nicht nur in westlichen Staaten wie Deutschland, sonder auch weltweit die häufigsten Todesursachen dar. In Deutschland sind Herz-Kreislauferkrankungen vor Krebserkrankungen die häufigste Todesursache. Die Krankheitsentstehung ist multifaktoriell, wobei mehrere wichtige anerkannte Risikofaktoren wie Adipositas, Diabetes mellitus, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen erwiesenermaßen ernährungsassoziiert sind.
Die WHO sieht das Ernährungsverhalten als einen wichtigen Faktor für langfristige Prävention an, wobei bestimmte Strategien als "best buys", also als besonders rentabel und effektiv angesehen werden:
- Besteuerung weniger gesunder Produkte
- Regulierung der Vermarktung an Kinder
- Front-of-Pack-Labeling (FoPL) Kennzeichnung
Darum stellt eine gesetzliche Verpflichtung zu einer Kennzeichnung für alle verarbeiteten Lebensmittel einen wichtigen Baustein zur Gesundheitsprävention dar, wodurch den Verbraucher*innen der gesundheitliche Wert der Lebensmittel transparent gemacht wird.
Im Jahr 2017 waren im Codex Alimentarius weltweit 23 verschiedene FoPL-Systeme gelistet. Grundsätzlich gibt es dabei zwei unterschiedliche Ansätze:
- nährstoffspezifische Systeme liefern detaillierte Informationen zu den einzelnen Nährstoffen eines Produkts
Vorteil: differenzierte Produktinformation
Nachteil: Beurteilung der Qualität des Produkts von Vorwissen der Verbraucher*innen abhängig
- Indikatorensysteme verwenden unterschiedliche Methoden der Nährwertprofilierung, die den Gehalt verschiedener Nährwerte bewerten und letztendlich zu einem einzigen Indikator zusammenfassen.
Vorteil: Beurteilung der Produktqualität "auf einen Blick"
Nachteil: Gehalt von Bestandteilen wie Vitaminen und Spurenelementen wird nicht direkt berücksichtigt.
In einer 2019 veröffentlichten kontrollierten Studie (siehe PDF FoPL Ernährungs-Umschau/ offizielles Organ) wurden 5 verschiedene FoPL-Systeme, die in verschiedenen Ländern bereits verwendet werden, im Hinblick auf die Förderung eines sog. objektiven Verbraucherverständnisses (die Fähigkeit, von den FoPLs gelieferte Informationen richtig zu interpretieren) mit 1000 deutschen Verbraucher*innen im Rahmen einer Online-Befragung untersucht:
- Nutri-Score (Frankreich, Spanien, Belgien)
- Health Star Rating System
- Multiple Traffic Lights (MTL) ("Ampel", Großbritannien)
- Referenzaufnahmemengen
- chilenisches Warnsymbol
Eine zuvor veröffentlichte internationale Studie mit Teilnehmer*innen aus 12 Ländern hatte bereits einen Vorteil für Nutri-Score ergeben, der sich auch bei der deutschen Studie für alle Lebensmittelkategorien bestätigte. Nutri-Score wird u.a. von den Verbraucherzentralen empfohlen.
Das kürzlich im Auftrag Frau Klöckners vom Max Rubner Institut entwickelte System "Wegweiser Ernährung" hat im Rahmen einer Foodwatch-Umfrage gegenüber dem Nutri-Score wesentlich schlechter abgeschnitten. Da regelmäßig verschiedene Lobbyverbände versuchen, eigene - die Lebensmittelqualität eher verschleiernde als transparent machende - Label ins Gespräch zu bringen, ist die Forderung nach einem konkretem und ausgereiften System wie dem Nutri-Score nach wie vor hochaktuell und wichtig.
Der Nutri-Score wird ermittelt, indem mittels eines Punktesystems der Gehalt an Energie (in kcal), von Zucker, Natrium und gesättigten Fettsäuren negativ bewertet wird und der Anteil an Ballaststoffen, Eiweiß sowie an Obst, Gemüse und Nüssen positiv. Aus der Gesamtpunktzahl ergibt sich schließlich die Bewertung von A bis E. Wie jede Lebensmittelkennzeichnung in Form eines Labels auf der Verpackung muss auch der Modus, in dem der Nutri-Score ermittelt wird, eine Vereinfachung sein, indem der Fokus auf die wichtigsten Lebensmittelbestandteile gelegt wird. Ernährungsphysiologisch positiv zu bewertende Inhaltsstoffe wie z.B. Vitamine oder Transfettsäuren gehen nicht explizit in die Berechnung ein, werden jedoch indirekt durch die positive Bewertung von Gemüse, Obst und Nüssen berücksichtigt.
Aufgrund der aktuellen Rechtslage kann die verpflichtende Einführung des Nutri-Score nur EU-weit eingeführt werden, national ist bisher lediglich die Zulassung möglich, in deren Rahmen sich Hersteller - wie in Frankreich bereits praktiziert - unternehmensweit verpflichten, ihre Produkte mit Nutri-Score auszuzeichnen. Mehrere große Lebensmittelkonzerne drängen bereits auf EU-weite Einführung des Systems.
Unabdingbar bei der Einführung des Nutri-Scores wären eindeutige und verpflichtende Durchführungsbestimmungen.
Quellen und Links:
Vergleich von Front-of-Pack-Kennzeichnungen zur Aufklärung deutscher VerbraucherInnen über den Nährwert von Lebensmitteln (Ernährungsumschau 5/2019, S. 76 ff.)
Zwei Schritte vor und drei zurück? Kontroverse um Front-of-Pack-Labeling (Ernährungs-Umschau 5/2019)
Unterstützer*innen
Zustimmung
- Gerd Weichelt
- Bruno Hönel
- Thorsten Riedel
- Christine Herde-Hitziger
- Peter Schüler
- Gilbert Sieckmann-Joucken
- Iris Westenfelder
- Nicole Döhrmann
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